|
Wasserbaby-Post
[zurück]
Ausgabe 02/95
Wie ein Fisch im Wasser
Wassergeburt, die sanfte Alternative
Schon im alten Ägypten wusste man von der heilenden Wirkung des
Wassers auf Schwangerschaft und Geburt. Tatsächlich brauchen Frauen,
die im Wasser entbinden, keine Schmerzmittel. Geburtszentren in Europa
und USA erstellen gerade wissenschaftliche Studien, die belegen sollen,
dass der Schmerzmittelverbrauch und die Kaiserschnittrate bei Wassergeburten
drastisch gesenkt werden können. „Erst als ich zwischendurch
aus dem Wasserbecken heraus stieg, um zu Toilette zu gehen, habe ich realisiert,
wie viel Schmerz das warme Wasser vertrieben hatte. Ich lief so schnell
ich konnte, damit ich zu nächsten Wehe ja wieder im Wasser war!“,
berichtet M., die ihre erste Geburtserfahrung im Wasser machte. Und eine
Mutter, die schon ein Baby in der Klinik bekommen hatte, konnte nun die
Wassergeburt mit ihr vergleichen: „Die erstaunlichste Erfahrung
war, dass wir uns nach der Geburt nicht erholen mussten, sondern sogar
Kräfte hinzu gewonnen hatten. Nie fühlte ich mich so stark und
gesund. Sogar meine Krampfadern waren zurückgegangen. Die Wassergeburt
hat mir meine jugendliche Elastizität wieder gegeben."
Eine andere Frau bekam ein 4680 Gramm schweres Kind ohne jede Verletzung.
Geburtskanal und Dammgewebe wurden im Wasser so dehnfähig, dass auch
ein Riesenbaby keine Spuren hinterließ. Frauen sehen die Vorteile
einer Wassergeburt vor allem in der Milderung der Schmerzen. Sie ermöglicht
ihnen das bewusste Erleben dieser biografisch so wichtigen Erfahrung einer
Geburt. Welche Vorteile bietet die Wassergeburt aber dem Kind?
Das kompetente Baby
Noch immer wird das Baby als ein passiver, unbeteiligter
Partner während der Geburt betrachtet. Frédéric
Leboyer hatte schon auf die Gestik aufmerksam gemacht, mit denen
ein Neugeborenes offensichtlich intensive Sinneswahrnehmungen ausdrückt.
(F. Leboyer: „Sanfte Geburt“ – Anm. der Red.)
Mit Filmen und Bildbänden forderte er daher auf, die Umgebung
bei einer Geburt so zu gestalten, dass ein Baby bei seiner Ankunft
nicht von Sinnesreizen überflutet wird. Bei der Geburt im Wasser
ist das Baby in dem ihm bekannten Milieu. Die Geräusche sind
gedämpft, wie im Mutterleib, das Licht bricht sich in den Wellen
und überanstrengt seine Augen nicht, der Wasserdruck lässt
seine Bewegungen anmutig und gezielt erscheinen. Schon vor der Geburt
hatten viele Kinder richtige „Turnstunden“, wie Filmaufnahmen
beweisen. In der Fruchtblase schlug es Purzelbäume, streckte
und beugte seine Gliedmaßen, kletterte sogar an der Nabelschnur
zur Plazenta hinauf wie auf einen Baum. Es nutzte seine Sinne zum
Schmecken und Hören. Wenn es die Schwingungen der Außenwelt
wahrnehmen wollte, schwamm es zur Gebärmutterwand und berührte
die Beckenknochen der Mutter. Beim Verlassen der mütterlichen
Umwelt begibt sich das Kind in ein ausgedehnteres Universum. Die
Orientierung wird ihm leichter fallen, wenn es seine erlernten Bewegungen
wieder aufnehmen kann. Das Wasser bietet ihm dazu die gleichen Bedingungen
wie früher in der Fruchtblase. Neugeborene, die von Anfang
an die Gelegenheit bekommen, sich nach einer anstrengenden Geburt
an die glückliche Zeit der Schwangerschaft zu erinnern, haben
weniger Probleme, neue Anforderungen zu bewältigen.
Das Baby beteiligt sich aktiv an seiner Geburt
Seit vielen Jahren schon erforschen Evolutionswissenschaftler
wie Ungeborene ihre Mütter in der Schwangerschaft aktiv beeinflussen
können, wenn sie mehr Nahrung brauchen. Während einer
Wassergeburt kann man deutlich sehen, wie aktiv das Baby an der
Geburtsarbeit teilnimmt. Durch das Wasser sind die Bewegungen des
Ungeborenen für die Mutter besonders gut zu spüren. Ein
gesundes Baby stößt sich an der Gebärmutterwand
mit den Füßen ab, um ins mütterliche Becken hineinzutauchen.
Schon, wenn sein Kopf geboren ist, öffnet es die Augen und
schaut sich die Umgebung, die es bisher nur mit den Ohren wahrgenommen
hat, intensiv an. Sowie es sich gedreht hat, nimmt es Blickkontakt
mit der Mutter auf. Das erste Liebesband ist geknüpft, das
Ziel seiner Anstrengungen ausgemacht. Mit rudernden Armen und fischartigen
Schwimmbewegungen wird es sich herauswinden und zur Mutter zurückfinden.
Neugeborene entwickeln ihre vorgeburtlichen Fähigkeiten
im Wasser
Die aktive Teilnahme des Babys beschleunigt seine
Geburt. Das Wasser unterstützt es, indem es äußere
Einwirkungen, wie geburtshilfliche Handgriffe oder Zwangshaltungen
der Mutter verhindert. Bei vielen in Rückenlage geborenen Kindern
sind Verrenkungen und Stauchungen an den Wirbeln, die die Blutversorgung
und Nervenbahnen von Kopf, Augen, Armen und Fingern umschließen,
bei der Geburt entstanden. Wasserbabies aber bleiben von dem Druck
auf ihre Halswirbelsäule verschont. Sie fallen schon in den
ersten Lebenswochen durch den fixierenden Blick und die gute Koordinierung
ihrer Hände auf. Im ersten Lebensjahr haben sie deutliche Vorsprünge
in der motorischen und sprachlichen Entwicklung. Das Wasser hat
eine geradlinige Fortsetzung der vorgeburtlichen Lernfähigkeit
gebracht, die sonst durch das sogenannte „dumme Vierteljahr“
unterbrochen wird.
Lebensfreude und Gesundheit
Ein gesundes Neugeborenes ist also fähig,
die gefahrvolle Strecke zwischen Gebärmutter und mütterlicher
Brust aus eigener Kraft zu überwinden, wenn die Bedingungen
seiner Geburt ihm Gelegenheit dazu geben. Wasserbabies treten stabiler
und gelassener ins Leben, denn ihr erster Eindruck war weder Angst
noch Schmerz. Statt dessen erfuhren sie körperliche Anstrengung
in der Sicherheit eines vertrauten Elementes. Ihre Energie und Kraft
können wir nur mit Ehrfurcht bestaunen. R. Beth schreibt in
„Healing Power“: „Wie ein Keimling von Lebenserfahrung,
so berührt die Geburtserfahrung das Individuum sein ganzes
Leben. Unter der Geburt kommen wir zu dem Schluss, dass das Leben
erschreckend und schmerzhaft sei, und dass die Menschen uns verletzen.
Oder, dass das Leben freundlich und freigebig ist, die Menschen
schützend und liebevoll mit uns umgehen.“ Die Geburt
im Wasser schützt die Einheit von Mutter und Kind. Sie sichert
dem Kind Gesundheit und Lebensfreude.
[zurück]
|